Reichsjagdgesetz

Aus Jagdfibel
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Entstehung

Um die Wende zum 20. Jahrhundert gab es keine reichseinheitliche Jagdgesetzgebung. Die jagdlich relevanten Gesetze wurden von Länder und Ländchen erlassen. Sie hatten meist den Charakter von Polizeigesetzen, wiesen das Eigentümerjagdrecht in gewisse Schranken, verboten allzu wildfeindliche Mittel und Zeiten der Jagausübung. Hier war dies verboten, dort jenes erlaubt. Innerhalb dieses recht lockeren Gesetzesrahmens jagte jeder nach seinem Gusto, mehr oder weniger sauber, mehr oder weniger waidgerecht. Nicht selten ließ sich mit dem Verkauf von Wildbret mehr einnehmen als an Jagdpacht aufgewendet werden mußte. Ein devastierter Wildbestand war vielerorts die Folge.
Damals bemühten sich eine Reihe von Männern, in Schriften und Vorträgen um eine – nennen wir es Erziehungsarbeit. Eine Jägerprüfung wie wir sie heute kennen, mit entsprechendem Vorbereitungslehrgang und damit einhergehend einer Ausbildung auch im ethischen Sinne gab es nicht. Der Naturschutz steckte in den Kinderschuhen. Man löste einen Jagdschein und war Jäger. Verständige Jäger folgten Männern wie Ferdinand v0n Raesfeld, Graf Silva- Tarouca, Oberländer, Raoul und Ernst von Dombrowski, Otto von Dungern, Gustav von Nordenflycht oder Franz Merrem. Diese forderten in Wort und Schrift eine waidgerechtere Einstellung zum Wild, forderten ein reichseinheitliches Jagdgesetz, den Kugelschuß auf Schalenwild, die nachhaltige Bewirtschaftung des Wildes, Mindestdauer von Verpachtungen, das Verbot von Tellereisen, Erstellung von Abschußplänen, eine Prüfung für angehende Jäger und vieles mehr. Viele Forderungen dieser Vordenker wurden aber von einem Teil der Jägerschaft ignoriert, hier galten Eigennutz und Bequemlichkeit mehr als höhere Einsicht. Infolgedessen wurde die Rufe nach besseren Jagdgesetzen immer hörbarer. Als erstes neueres kann das sächsische Jagdgesetz vom 01. Juli 1925 gelten, hier wurde z.B. der Schrotschuß auf Rot,- Dam- und Muffelwild untersagt. In der Thüringer Jagdordnung vom 27. April 1926 findet sich erstmals eine Verpflichtung des Jägers zur Hege des Wildes. Ein reichseinheitliches Jagdgesetz, wie es übrigens bereits von Allgemeinen Deutschen Jagdschutzverein bei dessen Gründung 1875 gefordert wurde, lag allerdings noch in weiter Ferne. Zu dieser Zeit trat Ulrich Scherping in das Licht der Öffentlichkeit. Der 1889 in Pommern geborene Scherping wird 1920 Mitglied des schlesischen Vereins „Waidgerechte Jäger und Heger“ in Breslau. Dieser Verein gründete eine Jagdzeitschrift, den „Heger“, deren Schriftleiter Scherping wird. Im „Heger“ tritt Scherping konsequent für eine waidgerechte Jagdausübung und einen Schutz des Wildes ein. Als Wanderredner der damaligen „Gesellschaft für Jagdkunde“ tritt er in vielen hundert Jägerversammlungen auf, registriert allerorten die Stimmungen, Wünsche und Sorgen der Jägerschaft. Am 01.04.1927 wurde er zum Geschäftsführer der Deutschen Jagdkammer bestellt, nach Gründung des Reichsjagdbundes am 30.08.1928 wurde er auch dessen Geschäftsführer. Scherping war ebenfalls Vorsitzender des „Vereins Deutscher Berufsjäger“. Am 01.04.1933 erfolgte seine Berufung zum Generalsekretär des Allgemeinen Deutschen Jagdschutzvereins. Somit war die Geschäftsführung der drei Großen unter den ca. 550 Jagdverbänden und -vereinen Deutschlands in seiner Hand vereint.
Eine von den Jagdorganisationen 1928 angestrebte Reform des preußischen Jagdgesetzes von 1907 scheiterte bereits in den parlamentarischen Vorgesprächen. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Preußens, Otto Braun, selbst Jäger, erklärte sich bereit, den Wünschen der Jäger entgegenzukommen, soweit es sich per Verordnung durchführen ließ. So entstand die preußische Tier- und Pflanzenschutzverordnung vom 16.12.1929 und deren Novellierung vom 01.04.1933. Hierin wird zum ersten Male der Schrotschuß auf sämtliches Schalenwild verboten. Auch das ostpreußische Elchschutzgebiet wird hier festgeschrieben. Mehr ist in diesen politisch unruhigen Zeiten nicht zu erreichen.
Am 02.03.1933 emigrierte Otto Braun aus Deutschland, nach einem Intermezzo Franz v. Papens wurde am 20.04.1933 Hermann Göring zum Ministerpräsidenten von Preußen ernannt. Aus dem Büro des preußischen Ministerpräsidenten erreichte nun Ulrich Scherping die Aufforderung, sich am 09.05.1933 zu einem Gespräch einzufinden. Dort beauftragte Hermann Göring ihn mit der Schaffung eines zunächst preußischen Jagdgesetzes, das gleichzeitig als Vorlage für ein späteres Reichsjagdgesetz, Ersatz für die bestehenden 17 deutschen Jagdgesetze, dienen sollte. Des weiteren sollten die vielen noch vorhandenen Jagdorganisationen und –vereine von einer Einheitsorganisation abgelöst werden.
Der fachliche Inhalt des zu gestaltenden Jagdgesetzes war für Ulrich Scherping klar. Die vielen Anregungen und Resolutionen aus der Verbandsarbeit, die Teils schon in die genannten Vorläufergesetze und Verordnungen eingeflossen waren, harrten der Umsetzung. Doch Scherping war kein Jurist, eine einwandfreie Formulierung von Gesetzesentwürfen war seine Sache nicht. Hierzu eignete sich Dr. Adolf Vollbach, der damalige Justitiar des preußischen Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten bestens. Der Ministerialrat war ebenfalls Jäger und stand Scherping bei der Ausformulierung des Gesetzes federführend zur Seite. Auch Landgerichtsrat Dr. Gustav Mitzschke und Oberlandesgerichtsrat Dr. Karl Schäfer vom preußischen Justizministerium trug wohl einen Teil dazu bei.
Das preußische Jagdgesetz wurde am 18.01.1934 verkündet und trat am folgenden Tage in Kraft. Erstmals wurde in diesem Gesetz ein Bezug zur Waidgerechtigkeit („Die Jagd darf nur nach den allgemein anerkannten Grundsätzen deutscher Waidgerechtigkeit ausgeübt werden.“) hergestellt, einem unklaren Rechtsbegriff, der bis heute umstritten ist. Gleichzeitig wurden die Hegeverpflichtung, die Jägerprüfung, der Abschußplan sowie das Verbot des Schrotschusses auf Schalenwild festgeschrieben. Auch eine Pflichtzugehörigkeit jedes Jägers zum Landesverband der preußischen Jäger wurde zum Gesetz erhoben.
Ohne größere Änderungen wurden die Bestimmungen dieses preußischen Jagdgesetzes in den Entwurf des Reichsjagdgesetz übernommen, federführend war hier das Reichsjustizministerium in Person von Ministerialrat Dr. Erwin Pätzold. Eine oberste Reichsjagdbehörde gab es noch nicht. Allerdings hatte Hermann Göring an der Vorstellung, oberster Herr der Jäger zu werden, Gefallen gefunden und flugs wurde in Anlehnung an historische Vorbilder ein neuer Rang und Titel, der des Reichsjägermeisters kreiert. So wurde, getreu dem damals so beliebten Führerprinzip, der Reichsjägermeister als oberste jagdliche Instanz, gar als Oberste Reichsbehörde in das Reichsjagdgesetz aufgenommen: „ Treuhänder der deutschen Jagd ist der Reichsjägermeister; er wacht darüber, daß niemand die Büchse führt, der nicht Wert ist, Sachwalter anvertrauten Volksguts zu sein.“ (Präambel). In dieser Präambel, die natürlich den Stil der Zeit wiedergab, durfte auch der Bezug zu Blut- und- Boden nicht fehlen.
Eine straffe jagdliche Organisation (Reichs-, Landes-, Gau-, und Kreisjägermeister) mit Installation des Reichsbundes „Deutsche Jägerschaft“ als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Zwangsmitgliedschaft aller Jäger wurde per Gesetz verordnet. Andere Vereinigungen gleicher oder ähnlicher Zielsetzung wurden verboten. Das Reichsjagdgesetz wurde am 04.07.1934 verkündet und trat teils an diesem Tage, teils am 01.04.1935 in Kraft.
Diese wenigen, dem Vorläufer praktisch aufgesattelten Bestimmungen, könnte man mit einigem Recht als nationalsozialistisch bezeichnen, am fachlichen Kern des Gesetzes ändert das nichts. Er leitete sich, wie oben geschildert, aus den Überlegungen und Forderungen führender Köpfe der jagdlichen Praxis her.

Litratur